1946 Kuhglocken im Thüringer Wald Meine erste Erinnerung an Töne, die mich neben den Stimmen meiner Eltern, Geschwister, Großeltern und der Menschen in unserem Wohnhaus und in unserem Garten, zutiefst beeindruckt haben, waren die Töne des Krieges. 1945 flüchteten wir vor der mit seinen Donnergeschützen nahenden Kriegsfront von Schwiebus in der Mark-Brandenburg über Berlin nach Thüringen in die Heimat meines Vaters. Die Züge waren voller Flüchtlinge, meist Frauen und Kinder, Soldaten. In Berlin stand der Zug, es war eisiger Winter, stundenlang auf den Gleisen. Flugzeugangriffe wurden abgewartet, ehe wir weiterfahren konnten. In Thüringen war alles ruhig. Großbreitenbach war eine Kleinstadt mitten im Wald in die sich die Kriegsfront nicht verirrt hatte. Fast jede Familie hatte eine Kuh im Stall hinter dem Haus. Sobald der Winter vorbei war wurden die Kühe von Hirten eingesammelt und in den Wald getrieben. Jede Kuh trug eine Glocke – was für ein großartiges Konzert, wenn sie am Morgen den Ort verließen und am Abend heimkehrten. Wann immer sich Gelegenheit bot, bin ich – versehen mit einem Stullenpaket von meiner Großmutter – mit den Hirten in den Wald gezogen. Bei den Hirten hörte ich zum ersten Mal das Spiel der Maultrommel. 1949 zogen wir aus dem Wald in die Großstadt Erfurt.
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