Durch die Vermittlung des Fotografen Max Jacoby, eines aus der südamerikanischen Emigration zurückgekehrten Juden, bekam ich vom Senat von Berlin – Willy Brandt war damals Bürgermeister - den Auftrag, ein Buch über das Kulturprogramm der Ford Foundation in Berlin zusammenzustellen. Angeregt durch den Besuch von John F. Kennedy in Berlin schenkte die Kulturstiftung der Fordwerke 1963 der Stadt Künstlerprogramm. Künstler aus der westlichen Welt wurden mit einem Stipendium nach Berlin eingeladen, sie sollten die einmalige Situation der Frontstadt kennenlernen, ihrem Grau Glanz verleihen. Einer dieser „Artists in Residence“ war Frederic Rzewski, Pianist, Komponist, Perfomer – Amerikaner polnischer Herkunft - der zu den frühen Interpreten der Werke von Cage, Stockhausen, Pousseur, Feldmann gehört.
Nach Fertigstellung meines Buches „Berlin Confrontation“
lud Frederic Rzewski mich ein, ihn in Rom, wo er mit seiner Familie lebte,
zu besuchen. Rom und Italien erlebte ich wie ein Fest. Ich gründete
eine Familie, heiratete Lena Dillmann, wir bekamen ein Kind, Alfa Appia
Anna. Zur Hochzeit schenkte man uns Schallplatten von den Beatles und
Bob Dylan. Dylans schnarrende Stimme klang wie eine Botschaft von einem
anderen Stern - die Texte des Legasthenikers John Lennon machten mir Mut
zur „eigenen Schreibe“. 1966 gründete Frederic Rzewski
u.a. mit Alvin Curran und Richard Teitelbaum die Gruppe „Musica
Elettronica Viva“ (MEV), eine Musikformation, die „live-elektronische
Improvisationsmusik“ produzierte – virtuosen Krach, eine Vorform
der „Einstürzenden Neubauten“.
Allan Brayant
Alvin Curran
Carrol Plantamura
Frederic Rzewski
Richard Teitelbaum
Ivan Vandor
Alvin Curran
Frederic Rzewski
Musica Elettronica Viva (MEV) ist ein elektroakustisches Live-Musik-Ensemble. Das Ensemble wurde 1966 von Alvin Curran, Richard Teitelbaum, Frederic Rzewski, >Allan Bryant, Carol Plantamura, Ivan Vandor und Jon Phetteplace in Rom gegründet. Die Musiker, zum Großteil Komponisten, wollten in die Elektronische Musik Elemente der musikalischen Improvisation einführen und diese in Echtzeit aufführen. Sie experimentierten zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit der Verwendung von Synthesizern. In einem Konzert 1967 in Berlin führten sie John Cages Solo for Voice 2 vor, wobei sie die Stimme von Plantamura durch einen Moog-Synthesizer transformierten. Die Ensemblemitglieder nutzten aber auch "nicht-musikalische" Objekte wie verstärktes Glas oder Olivenölkanister. Im Laufe der Zeit entwickelte MEV eine Ästhetik, in der die Egos der einzelnen Komponisten im kollektiven Akt der Improvisation aufgingen, was für die Gruppe immer mehr bestimmend wurde. Das Ensemble erweiterte bereits in den 1960ern seinen Aufgabenbereich, um auch Raum zu haben für freie Improvisation in ständig wechselnden Formationen, für Straßenmusik und Theater, für Zusammenarbeit mit Amateuren und Laienmusikern, für Veranstaltungen mit Publikumspartizipation, wobei häufig Hunderte von Menschen beteiligt waren. Seine frühen Vorstellungen in Italien provozierten und führten regelmäßig zu heftigen Protesten aus dem Publikum. Später arbeiteten die Ensemblemitglieder auch mit Musikern aus dem Jazzbereich zusammen. Die Erfahrungen von MEV haben letztlich sowohl die Entwicklung der elektro-akustischen Musik als auch jene der Neuen Improvisationsmusik sehr gefördert. Seit den 1970ern traten unter dem Namen Musica Elettronica Viva Ensembles in Paris, Rom und New York auf, die sich durch unterschiedliche ästhetische Prinzipien kennzeichnen lassen. Die Gruppen in Rom und Paris unter Leitung von Alvin Curran bzw. Ivan und Patricia Coaquette arbeiteten weiter in Richtung einer freien Improvisation auf Massenbasis und mit offenem Ausgang, während in New York Rzewski und Teitelbaum mit neuen Mitgliedern wie Garrett List und Gregory Reeve disziplinierte Strukturen bevorzugten. Zur (die Jahrzehnte überdauernden) New Yorker Gruppe gehörten in der Folge auch Maryanne Amacher, Karl Berger, Anthony Braxton, Jon Gibson, Steve Lacy, George Lewis,Roscoe Mitchell und Michael Sahl.