FREDERIC RZEWSKI IßT SPAGHETTI BEI CARLONE VIA DELLA LUCE 55

Buch, Kamera, Regie, Schnitt: Gerd Conradt
Ton: Stumm
Produktion: Andi Engel, Gerd Conradt
Format: 16 mm Farbe, stumm
Länge: 12’
Rom, 1966
Premiere: Experimentalfilmfestival Knokke, Belgien, 1967
1. Hamburger Filmschau 1968, Retro 1. Hamburger Filmschau, Filmmuseum Frankfurt/M 1992


Inhalt: Der Komponist Frederic Rzewski bestellte bei Gerd Conradt für sein Stück „Selfportrait“ einen Film. Während er sein Musikstück spielte, sollte der Film vorgeführt werden, er selbst wollte nicht zu sehen sein. Aus der Vogelperspektive sieht man im Film, wie Frederic Rzewski sich an den Ti>sch der Trattoria Carlone im Stadtteil Trastevere in Rom an einen Tisch setzt. Er bestellt Wein, Salat und eine Portion Spaghetti. Wir sehen zu, wie er isst, bezahlt, aufsteht und aus dem Bild geht. Alles in einer Einstellung.

„..der Film von Gerd Conradt ist ein Beispiel dafür, wie die Experimente von Andy Warhol dem Film ein Forschungsgebiet erschlossen haben, das noch wenig genutzt wird und kaum bekannt ist. Der Film ist das Registrieren der Mahlzeit eines Mannes, von oben in einer einzigen Einstellung gesehen. Was diese Art von Filmen so fruchtbar macht, ist, dass sie den Zuschauer zwingen, ohne Zerstreuung dem Vollzug einer Handlung zuzusehen…seine Augen wiederzuentdecken. Gleichzeitig wird der Zuschauer durch die objektive Länge der Szene gezwungen, eine ganze Reihe von geistigen Vorgängen abzuwickeln, für jeden verschieden, müßig oder nicht, die dem Film die Funktion „einer Wahrheitssuche“ geben, die sonst der philosophischen Theorie zukommt. Was wahr daran ist, noch vor dem Sehen des Bildausschnittes, ist die Art, der Realität gegenüberzutreten. Das ist etwas, was die Franzosen über Rosselini gesagt haben und was für diesen wie für viele andere Filme des „nuovo cinema“ gilt.“ Alfredo Leonardi, filmcritica


Frederic Rzewski und MEV in der dffb

Im Herbst 1967 war die Gruppe „Musica Elettronica Viva“ (MEV, Frederic Rzewski , Ivan Vandor, Alan Bryant, Alvin Curran, Carol Plantamura, Richard Teitelbaum) zu einem Konzert in der Film- und Fernsehakademie Berlin eingeladen. Zu dieser Zeit experimentierten wir an der dffb mit einem Fotoapparat der Firma Bell & Howell. Er hatte eine Weitwinkeloptik mit automatischer Belichtung von Canon, 28 mm Brennweite, 1:2.8 Lichtstärke. Wie es der Name „Dial 35“ schon andeutet, machte dieses Wunderwerk Fototaufnahmen im Original 35-mm-Filmformat. Mit Hilfe eines manuellen Federwerkes konnte man, indem man den Auslöserknopf gedrückt hielt, 25 Bilder ohne Unterbrechung aufnehmen. Auf diese Weise entstand eine Sekunde 35-mm-Kinofilm. Vom MEV-Konzert machte ich 420 Bilder als Serie, die bis heute unbearbeitet und unveröffentlicht in meinem Archiv lagern. Einmal interessierte sich die Musikbiennale von Venedig für die Aufnahmen. Ich schlug vor, die vergrößerten Bilder in einem dunklen Raum so aufzuhängen, dass bei dem durch den Raum schreitenden Besucher der Eindruck einer Filmbetrachtung entstünde. In der Mitte, auf einem weißen Marmorsockel, sollte von einem zeitgemäßen Tonbandgerät Musik von MEV abgespielt werden. Aus Kostengründen wurde das Projekt abgesagt.

2008, „Einspruch, Musikalische (R)Evolution um ’68“
Kunst und Revolte, Akademie der Künste 28. Juni 2008
Konzert von Frederic Rzewski „36 Variations on: The People United Will Never Be Defeated!” (1975)

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